Laith hat ein neues Album am Start, das „Bleib unterwegs“ heißt und in den deutschen Albumcharts auf Platz 1 eingestiegen ist. Das neue Werk „unterstreicht den Aspekt, dass es sich bei dem Unterwegssein nach Laiths Auffassung nicht um eine Phase handelt, sondern um eine Haltung“ (Zitat Webseite).
Was für ein Kind warst Du – eher eins, das gern malte und Geschichten hörte, oder eins, das wilde Geschichten erzählte und mit zerrissenen Hosen am Bachlauf versuchte Fische mit Stöcken aufzuspießen?
Ich bin irgendwo in der Schnittmenge zwischen beiden Charakteren. Eine gute Portion Traumwelt und eine schöne Kelle Abenteuer.
Gibt es etwas aus Deiner Kindheit, das Du Dir bis heute bewahrt hast?
Als ich 5 Jahre alt war lebten wir gerade in den USA. Mein erster Kinofilm damals war STARWARS und ich hätte nie geglaubt, dass mich die Saga bis heute begleitet und mich noch immer begeistert.
Falls es etwas gibt, das der Welt heute fehlt/ das sie zu viel hat, was ist es?
Weit- und Rücksicht.
Eine großartige Erfindung / Errungenschaft der Neuzeit ist ….
Der 800 Grad Grill. Darunter/darüber ein drei Finger dickes Entrecotes…Yes. Ach ja, und dieses Internet ist auch ganz interessant…
photo: (C) Laith Al-Deen
Wann wusstest Du, dass Sprache Deine Kunst ist?
Also wenn ich mir manchmal selbst zuhöre, dann bleibt dieses Frage offen…
Wie hast Du bemerkt / Wann wusstest Du, dass Musik Deine Ausdrucksform ist?
Einen halben Tag nachdem ich mir meine erste Gitarre geliehen hatte. Ich war knapp 17 und voller Überzeugung.
Warum hast Du einen so komplizierten Namen? Dein Name wird immer noch oft falsch ausgesprochen, hast Du mal gesagt – was macht(e) das mit Dir? Für meinem läuft es übrigens erst wirklich besser, seit ich in Frankreich lebe. Ich fühlte mich in Deutschland latent nie wirklich verstanden; Du bist Künstler und hättest Deinen längst ändern können, oder vielleicht auch schon mal sollen, warum hast Du nicht?
Laith Al-Deen ist ein üblicher arabischer Name und nicht komplizierter als so mancher nord- oder osteuropäische Name. Der Kampf um die korrekte Aussprache hat mich jedoch über so lange Zeit geprägt, dass ich mir nie ernsthafte Gedanken über einen Künstlernamen gemacht habe. Warum soll ich meinen Namen ändern? Sollen ihn die anderen doch lernen.
Wer ist der Araber (ist er überhaupt Araber?), der dieses „Yallalalililala“ in Deinem Song „Damit ich wieder schlafen kann“ eingesungen hat, was erzählt er? Willst Du nicht mal / wolltest Du nie so eine Platte machen? Aus irgendeinem Grund bin ich immer der Meinung, dass sich Sehnsucht, Liebe und die Schwingungen daraus, will sagen der Hall einer emotionalen Begegnung auf Arabisch besonders formschön ausdrücken lässt – keine Ahnung warum genau, ich spreche ja kein Arabisch. Vielleicht liegt es an dem Feuer, das ich in der Sprache lodern spüre. Der Kontrast im Akkord oder so. Oder der Streicher wegen. Akkord meint ja Gleichklang, d.h. die Erzeugung desselben Tones auf verschiedenen Saiten. (Seiten.) Nebeneinander. (Gegenüber.) Miteinander. Liebe. Oder zumindest Freundschaft. Gegenseitigkeit. Gleichgewicht.
Ich spreche kein Arabisch, denn ich bin deutsch-englischsprachig aufgewachsen und dieser Umstand erschwert den Zugang zur arabischen Musik erheblich. Der Araber -er war selbst nicht ganz sicher- heißt “Kili”, ein Name den er sich auf Grund einer fehlenden Geburtsurkunde selbst gegeben hatte. Er wurde mir über einen befreundeten Schlagzeuger vorgestellt und wir haben uns recht spontan für eine Zusammenarbeit entschieden, weil der Song orientalisches “Potential” hatte. Ein ganzes Album in diesem Stil strebe ich jedoch nicht zwingend an, da mir einfach zu viel Grundlagen der arabischen Musik fehlen.
Erinnerst Du Dich an Deinen letzten Gedanken vor Deinem ersten großen Auftritt? Verrätst Du ihn?
“Hoffentlich werfen sie nix”… während wir als Deutschrock Band als Support einer Punkband spielen mussten.
Über Deine Kapelle, mit der Du z.T. seit vielen Jahren rummachst, hast Du mal gesagt: „Alte Männer, die sich wirklich Mühe geben“. Gab es irgendwann irgendwo jemanden dem Du begegnet bist, der Dein Männerbild besonders geprägt hat – oder eine Situation?
Meine Eltern haben mir ein, wie ich finde, recht ausgewogenes Rollenverständnis übergeben, welches sich hauptsächlich durch die Frauen in meinem Leben weiterentwickelt hat.
Was leitet bzw. beflügelt Dich eher mal, das Wort oder die Melodie?
Es sind zu 85% musikalische Ansätze die zu Songs führen. Eine Zeile oder ein ganzer Text als Zündstoff für einen Song sind fast nie Basis für einen Titel.
Kann man sagen, dass die Kreativität dort wohnt, wo sich die Gegensätze gegenüber stehen? Ich habe nicht nur manchmal den Eindruck, dass einige Künstler um ein Loch herum sind, aus dem sie Großartiges zaubern und in das sie auch manchmal einfach reinfallen (müssen). Das muss so eine Art Magnetfeld sein, ein Brunnen, oder eine Vulkanöffnung. Könntest Du das kreative Feld in Dir beschreiben? Oder ist es vielleicht eher irgendwas, das in der Luft liegt? Wie fühlt es sich an?
Ich glaube, dass das Loslassen in extremeren Situationen zum intuitivsten Kreativprozess führt, d.h., wenn die Situation es erfordert, muss eine besondere, emotionale Reaktion passieren. Die individuellen Höhen und Tiefen können diese Situation nach meiner Meinung besonders gut erzeugen.
Hattest Du je Fernweh? Heimweh? Wie schwierig ist Ankommen (selbst wenn man schon weiß, wohin man will, irgendwie) und steht Ankommen nicht im Widerspruch zum Schaffen in der Kunst; war das „der Schritt, nach dem es keinen mehr gibt“?
Ich glaube nicht, dass es nur ein echtes “Ankommen” gibt, sondern dass dies in verschiedenen Lebensphasen neu definiert werden kann. Daher bedeutet ankommen für mich nicht, dass man das Ende erreicht, sondern dass man eine neue Aussicht erhält, die evtl. freiere Blickwinkel ermöglicht.
Ankommen. Beständigkeit. Das ist schön, wird aber schnell zur Sesshaftigkeit, was für mich persönlich ein Synonym für Sackgasse und Aussichtslosigkeit ist, ein Stahlkorsett mit dem Versprechen von Atemnot, der Inbegriff vom Ende des Geländes. Schon die Grundidee ist mir unheimlich, ich sehe meine Freiheit in Gefahr wenn nicht gleich mein ganzes Leben, mich gefesselt, starr, während der Einweihungsparty versehentlich im Burgverließ verkeilt, wo wir eigentlich nur kurz zum Spaß hingingen, und damit bedeutet Ankommen für mich (wahrscheinlich im Gegensatz zu vielen anderen) zuerst Gefahr von Genickbruch jeden Frohsinns. Nun bin ich also ständig auf der Flucht vor dem Festsitzen, gleich in welcher Disziplin und kann mir partout nicht vorstellen, dass ausgerechnet Künstler in dieser windstillen Stabilität der Sesshaftigkeit sein können, oder klarkommen. Brauchen sie nicht die Extreme, Gegenwind, Rückenwind, gehören nach oben aufs Dach oder „auf die Straße“: nach unterwegs?! Mit einem bestimmten Ziel oder einfach geradeaus, wie Streuner, Zigeuner, die nur mit sich selbst durch die Lande schlendern, meilenweit, zu niemandem so richtig gehören, irgendwo irgendwas finden, irgendwas draus machen und immer weiter schweifen, ohne vornehmlich unter einer Tyrannei der Freiheit zu leiden. Da komme ich auch schon zu meiner Frage: Was ist für Dich die größere Herausforderung: das Wandeln, das Bleiben oder das Schaffen?
Das Wandeln und das Bleiben, bzw. das Loslassen und das beständig sein, sind für mich ein verwobener Prozess, der eine Bewegung in sich erzeugt und dadurch immer wieder Neues hervorbringt. Ich will nicht auf der Flucht sein, sondern in Bewegung.
Kann man sich sicher sein?
Muss man?
[Anm. d. Red.: Ja.]
Was hält Dich von innen, wenn sonst alles weg fällt?
Im besten Falle ich selbst. In der Regel mein Umfeld.
Was waren die zwei beeindruckendsten Momente in Deinem Leben als Künstler?
Eine TOP 2 gibt es nicht und ich kann die letzten 20 Jahre unmöglich derart reduzieren.
Schreibst Du lieber tagsüber oder nachts?
Ich habe keine Vorlieben. Dann wenn es sein muss oder gerade gut geht.
Hast Du ein Lieblingsinstrument – das Du gern hörst oder spielst?
Die Gitarre und das Schlagzeug. Beide begleiten und fordern mich schon lange Zeit.
Kann man Sehnsucht stillen oder ist es eine Art Charaktereigenschaft, zum Beispiel für Deine Form der Kunst?
Ich glaube daran, dass man besser fährt wenn man nicht alles kontrollieren will und manche Lebensabläufe sich selbst überlässt. Dadurch wird z.B. die Sehnsucht nach innerem Frieden zu einer entspannten Herangehensweise. Man “bleibt im Wandel”.
Hast du eine Lieblingsfarbe? Grün
Welche Musik magst Du privat? Rock, Pop, Jazz, Blues, Country, Elektro
Was ist Schönheit? Das richtige Lächeln.
Liebe ist… eine sehr beflügelnde Entscheidung.
Zuhause / Heimat ist… ein sehr gutes Gefühl.
Familie bedeutet … für immer verbunden zu sein.
Freundschaft bedeutet… Ehrlichkeit, Halt und Verzeihen.
Freiheit ist… manchmal nur ein Moment.
Wieviel Sprachen sprichst Du – und welche am liebsten, warum? Deutsch, Englisch, etwas Französisch. Sehr gerne Englisch, weil ich Rollen spielen kann…
Wenn Du zu den Jungen, Aufstrebenden – Träumern oder Ehrgeizigen – sprechen solltest, was würdest Du sagen wollen? “Bleibt unterwegs”
Wenn Du die Wahl hättest, frei in der Zeit vor und zurück zu gehen, wohin gingst Du zuerst und weshalb? 1986, DIO, meine erstes Livekonzert. Nur fürs gute Gefühl.
Wenn Du in einer Ritterburg in den Bergen hinter dem Wald leben würdest, wen würdest Du Dir ans andere Ende des sehr, sehr langen Tisches zum 7-Gänge-Menü laden – und weshalb? Den Führungsstab [Bezeichnung von der Redaktion entfernt], damit sie mir mal erläutern warum sich die Welt im Jahre 2017 immer weiter Richtung Mittelalter bewegen soll.
⇒ Mehr über Laiths neue Platte und die Komposition des Albums auf seiner Webseite erfahren.